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#8 | Stadtbalkon

Im 13. Jahrhundert ging die Bedeutung des niederen Adels immer weiter zurück. Die ökonomischen Grundlagen waren für diese Adligen nicht mehr ausreichend, und so wandten sie sich immer mehr dem Raubrittertum, der Wegelagerei zu. Sie zogen plündernd durch die Gegend und scheuten auch vor Mord nicht zurück. Zum Schutz gegen diese inneren und besonders gegen äußere Feinde wurde Geisa unter Fürstabt Bertho II. von Leibholz um 1265 mit Mauern und Türmen befestigt. Bertho II. soll außerdem während seiner Regierungszeit 25 Raubritterburgen zerstört haben, darunter die Burg am Rockenstuhl und eine Befestigung am Bocksberg. 

Die Stadtmauer ist bis heute in weiten Teilen erhalten geblieben. Die Mauer war zusätzlich durch Türme und Tore gesichert. Zwei davon sind heute noch erhalten, der Pulverturm und der Diebsturm. Letztgenannter steht unterhalb des Schlossgartens. Das Mauerwerk dieses fast zehn Meter hohen Turms besteht aus Muschelkalk und besitzt mehrere Schießscharten. Das mittlere Geschoss war mit einem Wehrgang zur Stadtmauer verbunden.

Am Ausgang der Stadtmauer Richtung Ulsteraue befindet sich der Stadtbalkon. Er ermöglicht den Blick von West nach Ost. Mit der Errichtung des Stadtbalkons will die Stadt Geisa an die Grenzöffnung im Jahr 1989 erinnern. Von der innerdeutschen Teilung war Geisa durch seine Lage im Sperrgebiet in unmittelbarer Nähre zur Grenze und als westlichste Stadt der DDR und des Warschauer Vertrages besonders stark betroffen.

Ein wichtiges Ereignis in der europäischen Geschichte war die Öffnung des Eisernen Vorhangs in der ungarischen Stadt Sopron. Bereits im April 1989 hatte Ungarn begonnen,  Grenzanlagen abzubauen. Am 27. Juni durchschnitt der ungarische Außenminister Gyula Horn gemeinsam mit seinem Amtskollegen Alois Mock aus Österreich bei Sopron symbolisch den Grenzzaun. Am 19. August 1989 fand an dieser Stelle das „Paneuropäische Picknick“ statt, ein Treffen von ungarischen und österreichischen Anwohnern. Dabei wurde symbolisch ein Tor nach Österreich geöffnet. Viele DDR-Bürger, die in Ungarn ausharrten und eine Fluchtmöglichkeit in den Westen suchten, nutzten diese Veranstaltung zur Flucht nach Österreich. Am 10. September 1989 verkündete Gyula Horn, dass den DDR-Bürgern, die sich noch in Ungarn aufhielten und das wünschten, die Ausreise in den Westen gestattet würde. Damit trug Ungarn wesentlich zum Fall der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 bei. 

Mit dem Stadtbalkon will Geisa an diese so wichtige Entwicklung in Europa erinnern. Der Blick vom Balkon geht symbolisch Richtung Sopron.

Deshalb wurde der jährlich in Geisa verliehene Point-Alpha-Preis für Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europas in Frieden und Freiheit 2014 an den seinerzeitigen ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Nemeth überreicht.

Stadtverwaltung Geisa - Friedensgebet vor der Montagsdemo 1989 in der Stadtpfarrkirche
Friedensgebet vor der Montagsdemo 1989 in der Stadtpfarrkirche (Foto: Richard Parth | Quelle: Sammlung Mathilde Hahn)
Stadtverwaltung Geisa - Stadtmauer mit Diebstürmchen
Stadtmauer mit Diebstürmchen (Foto: Franz Marschall, 1925 | Quelle: Sammlung Mathilde Hahn)