Pater Eugen Büchel

Ein berühmter Sohn unserer Region:
Pater Eugen Büchel S. J. (1874 – 1954)
Missionar und Volkskundler bei den (Lakota-) Sioux-Indianern

Pater Eugen Büchel wurde am 20. Oktober 1874 in Schleid (Nachbarort von Geisa) geboren. Er war der jüngste Sohn einer Bauernfamilie und wuchs auf dem Lande auf. In seiner Kindheit streifte er oft auf dem Hofe herum und sammelte Hühnerfedern und Federn anderer Vögel. Diese bewahrte er in einem Korb unter seinem Bett auf, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zeigte er sie und erfreute sich an ihren bunten Farben. Das Leben auf dem Lande und sein Interesse für Federn mögen vielleicht sein späteres Interesse für die Indianer geweckt haben.

Mit knapp sieben Jahren verlor er seine Mutter. Sie starb am 11. August 1881, vermutlich an einem nicht erkannten Krebsleiden. Ein halbes Jahr später, am 8. Februar 1882 verstarb auch sein Vater, so dass Büchel im Alter von nur sieben Jahren Vollwaise war Büchel hatte neun Geschwister, von denen vier bereits als Kleinkinder und ein Bruder im Alter von 26 Jahren verstarben. Er wuchs unter der Obhut von vier älteren Geschwistern heran, besuchte zunächst die Volksschule in Schleid und wechselte später auf das Gymnasium in Fulda, wo er in einem christlichen Internat lebte.

Im Jahre 1896 begann er zu studieren und vollendete zwei Semester am Priesterseminar in Fulda. 1897 trat er dem Jesuitenorden bei und ging nach Blyenbeek, Holland. Im Sommer 1900 verließ er Europa für immer und nach einer elftägigen Schiffreise erreichte Büchel am 29. Juli 1914 die Vereinigten Staaten. Zu seinen Geschwistern in Deutschland hatte er nur noch gelegentlichen Briefkontakt. Eine spätere Einladung nach Deutschland lehnte er ab, obwohl seine Familie das Geld für die Reisekosten gesammelt hatte.

Nach einem kurzen Aufenthalt in den Staaten Wisconsin und Ohio, wo er seine Englischkenntnisse verbesserte, schickte man ihn zunächst auf die 1885 gegründete St. Francis Mission auf der Rosebud Reservation in South Dakota. Diese Missionsstation der Jesuiten wurde auf die Bitte des Sicangu-Häuptlings Spotted Tail errichtet. Vorher waren Missionare der episkopalen Kirche auf Rosebud ansässig, die aber mit ihrer Mission nur wenige Erfolge erzielten. Die Sioux hatten mehr Vertrauen zu den Jesuiten, denen sie aufgrund ihres persönlichen Mutes mehr Respekt entgegen brachten. Immerhin waren es Jesuiten, die im Jahre 1868 in das Lager Sitting Bulls ritten, um ihn dazu zu bewegen, den Friedensvertrag von 1868 zu unterzeichnen, beziehungsweise an den Friedensverhandlungen überhaupt teilzunehmen. Obwohl Sitting Bull es ablehnte, an den Verhandlungen teilzunehmen achtete er die Missionare, die den Mut bewiesen hatten, allein in ein feindliches Indianerlager zu reiten.
Pater Büchel arbeitete zunächst als Englischlehrer für eine Jungenklasse auf der Rosebud Reservation, wobei er seine ersten Kenntnisse in der Sprache der Sioux erwarb. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen brachte er seinen indianischen Schülern und deren Eltern Achtung und Respekt, vor allem aber Interesse für deren Kultur und Sprache entgegen. In den Missionsschulen der damaligen Zeit war es an der Tagesordnung, indianische Schüler zu bestrafen, wenn sie in ihrer Stammessprache miteinander redeten. Alles Indianische wurde verteufelt, als minderwertig betrachtet und unterdrückt. Pater Büchel muss seine Schüler geradezu ermuntert haben, ihm ihre Sprache beizubringen, ansonsten hätte er es wohl kaum geschafft, die Sprache fließend zu beherrschen, wie es in den letzten Jahren seines Lebens der Fall war.

Während seiner Tätigkeit als Lehrer begann er systematisch, Lakotaworte aufzuschreiben, zu übersetzen und zu katalogisieren. Außerdem zeigte er viel Interesse an den alten Geschichten und Legenden der Lakota, die er ebenfalls niederschrieb. Wahrscheinlich dachte Pater Büchel zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht daran, seine als Hobby betriebenen Studien zu veröffentlichen und war sich wohl kaum drüber klar, dass sowohl er, als auch die Missionare Steven Riggs und John Williamson eines Tages ein Werk schaffen würden, das den heutigen Sioux die Möglichkeit geben würde, ihre Sprache zu erhalten.

In den Jahren 1904 bis 1905 musste er seine Missionstätigkeit in St. Francis unterbrechen und setzte in St. Louis seine theologischen Studien fort. Am 28. Juli 1906 wurde er dann zum Priester geweiht. Im Jahre 1907 kam er nach St. Francis zurück, wurde jedoch kurze Zeit später zum Leiter der Holy Rosary Mission auf Pine Ridge, der Reservation der Oglala Sioux unter Red Cloud ernannt. Als der hoch betagte Häuptling im Winter 1909 starb, war es Pater Büchel, der das Bestattungszeremoniell leitete und die Gebete sprach.

Mit Hilfe von Steven Riggs’ Dakota Dictionary und den Werken Ella Delorias, einer in den Fächern Linguistik und Ethnologie akademisch ausgebildeten Dakota-Indianerin, erweiterte Büchel seine bereits rudimentär vorhandenen Kenntnisse der Siouxsprache und begann sie in drei verschiedene Dialekte, nämlich Dakota, Lakota und Nakota zu unterteilen.

Durch sein bescheidenes, freundliches Auftreten und sein Interesse gewann er zunächst die Freundschaft der traditionellen Lakota Peter Ironshell und Ivan Star Comes Out, denen er lehrte, Lakota zu schreiben und die ihm dafür bei der Erweiterung seiner Sammlung der Lakotaworte und -legenden halfen. Außerdem interessierte er sich sehr für das Pflanzenleben auf und in der Umgebung der Reservation. Er begann damit, Pflanzen nach ihrer Art zu katalogisieren und lernte ebenfalls die passenden Lakotanamen dazu.

Büchels Interesse für ihre Sprache und Kultur muss die dort lebenden Indianer sehr berührt haben, denn sie schenkten ihm im Laufe der Zeit viele wertvolle Gegenstände, wie perlenbestickte Mokassins, Pfeifenbeutel, mit Stachelschweinborsten verzierte Hemden und diverse Kultgegenstände, die man noch heute im 1947 gegründeten Buechel Lakota Memorial Museum in St. Francis anschauen kann.

Im Jahre 1923 kehrte er nach St. Francis zurück. Zu dieser Zeit war seine Wortsammlung so umfangreich, dass er einen Zimmermann bat, ihm einen Aktenschrank mit sieben Schubfächern zu zimmern, von denen jede einzelne Schublade in drei Teile unterteilt war, in denen er seine auf nahezu 28.000 Stichworte angewachsene, handgeschriebene Sammlung aufbewahren konnte. Dieser Aktenschrank befindet sich heute wieder auf der Holy Rosary Mission auf Pine Ridge und wird von Father Paul Manhart aufbewahrt und wird bis heute für weitere Studien und Publikationen genutzt.

Obwohl Pater Büchel die Veröffentlichung des Lakota-English Dictionary im Jahre 1970 durch Father Paul Manhart nicht mehr selbst erlebte, publizierte er zu seinen Lebzeiten neben zwei religiösen Schriften ein weiteres bedeutendes linguistisches Werk zur Lakotasprache, welches im Jahre 1939 erstmals unter dem Titel “A Grammar of Lakota” erschien. Auf Grund seiner optisch schlechten Aufmachung und Gliederung eignet sich das Buch nicht besonders gut zum Erlernen des Lakota-Dialektes, genauso wenig wie das Dictionary. Inzwischen ist jedoch eine von Father Paul Manhart editierte, übersichtlichere Neufassung des Dictionarys auf dem Markt und auch das Grammatikbuch wird von Father Manhart benutzerfreundlicher überarbeitet und sollte inzwischen erschienen sein.

Im Jahre 1924 publizierte Pater Büchel seine Bible History, eine gekürzte Fassung der Bibel, die er mit Hilfe einiger Lakotafreunde übersetzt hatte. Aus welchem Grund er die Bibel nicht vollständig übersetzte, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Auf jeden Fall fiel beim Vergleich der Lakotaversion mit jeweils einer deutsch- und einer englischsprachigen Bibel auf, dass Sätze wie “Macht Euch die Erde untertan” und andere dem traditionellen Lakotaglauben widersprechende Grundsätze fehlen oder mit extrem milderen Worten ausgedrückt werden. Vielleicht ist dies ein Anzeichen dafür, dass Büchel schon damals versuchte, Gemeinsamkeiten zwischen den christlichen und den Lakota-Glaubensvorstellungen zu finden, anstatt alles indianische zu verteufeln und abzulehnen. Viele moderne Priester sehen heute keinen Widerspruch mehr darin, mit Indianern in die Schwitzhütte zu gehen und gleichzeitig das Abendmahl einzunehmen.

Am Ende seines Lebens hatte Pater Büchel einen großen indianischen Freundeskreis. Er wurde von seinen geliebten Lakota adoptiert und erhielt den Namen Wanbli Sapa (Black Eagle). Die Vermutung liegt nahe, dass er heimlich an Zeremonien teilgenommen hatte, die von seinem Orden vielleicht nicht akzeptiert wurden. Fest steht, dass der Jesuitenpater in den letzten Jahren seines Lebens neben Deutsch, Englisch, Latein, Griechisch und Französisch, den Dialekt der Lakota fließend sprechen konnte. Er wurde tagtäglich von Lakota-Ältesten aufgesucht, die mit ihm auf seinem Lieblingsplatz, einer grünen Bank im Garten der St. Francis Mission saßen und mit ihm stundenlang auf Lakota plauderten.

Pater Büchel verstarb am 27. Oktober 1954, nur sieben Tage nach seinem 80. Geburtstag, an den Folgen eines Schlaganfalls. Auf seiner Beerdigung sollen mehrere hundert Menschen, größtenteils Indianer, ihm die letzte Ehre erwiesen haben.

Der Mensch ist mittlerweile über ein halbes Jahrhundert tot, doch in seinem als Hobby begonnenen Werk lebt er weiter. Es gibt nicht ein Buch über die Sioux Sprache, in dem er nicht erwähnt wird, nicht einen ernsthaften Sprachforscher, der ohne seine Werke auskommt. Hoffen wir, dass es gelingt, die bedeutenden Werke Pater Büchels übersichtlicher zu gestalten, damit sie auch weiterhin für Sprachforscher, an Fremdsprachen interessierte Leute und nicht zuletzt für die Sioux selber von Nutzen sind, um ihre vom Aussterben bedrohte Sprache zu bewahren.

Aus Anlass seines 50. Todesjahres gab es am 31. Oktober 2004 in Geisa eine Festveranstaltung zu Ehren von Pater Eugen Büchel.

„Wanbli Sapa (Schwarzer Adler), der Indianerpater aus der Rhön“ – so lautet der Kurztitel einer Gedenkveranstaltung, mit welcher die Gemeinde Schleid und die Stadt Geisa ihren Landsmann Eugen Büchel (1874 – 1954) in besonderer Weise ehrten. Der Rhönklub-Zweigverein Geisa hatte im Rahmen der Werragau-Kulturtagung die Aufgabe übernommen, zahlreiche entsprechende Aktivitäten namhafter Fachleute und vieler Heimatfreunde zu koordinieren. Zur Festveranstaltung referierten unter anderem Prof. Dr. Raymond A. Bucko Omaha/Nebraska über Pater Büchel als Ethnologe und Prof. Dr. Karl Markus Kreis, Dortmund, über Pater Büchel als Missionar.